Die Macht der Ernährung – neue Erkenntnisse / alte Tradition: Teil 2

In dieser Reihe möchte ich moderne wissenschaftliche Erkenntnisse, sowie mein Wissen und meine praktische Erfahrung mit der Ayurveda-Medizin im Zusammenhang mit der Ernährung beleuchten. Heute geht es um Blutfette/Fettleber/Herzgesundheit und Reizdarm/Blähbauch. 

 

Herzgesund essen: Prävention und Blutfette

…warum Ernährung so wichtig ist

Wenn es um Herzschutz geht, ist nicht ein einzelnes „Superfood“ der Schlüssel, sondern das gesamte Ernährungsmuster. Die moderne Medizin zeigt klar: Wer regelmäßig Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Vollkorn, Nüsse, Olivenöl und Fisch isst und dafür weniger rotes Fleisch, Zucker und industriell gehärtete Fette zu sich nimmt, senkt sein Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich.

Mediterrane Ernährung und Herzschutz: was Studien zeigen

Eine der bekanntesten Untersuchungen ist die PREDIMED-Studie aus Spanien. In dieser großen, randomisierten Studie zeigte sich: Menschen, die sich mediterran ernähren – also viel Gemüse, Olivenöl, Nüsse und Fisch essen – hatten deutlich weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen als die Vergleichsgruppe. Dieses Ergebnis wurde nach einer methodischen Überprüfung 2018 bestätigt.

Welche Fette sind gut, welche schaden dem Herzen?

  • LDL-C („schlechtes Cholesterin“): Ein Blutfett, das in hohen Mengen Arterienverkalkung begünstigt.

  • Gesättigte Fette: v. a. in Butter, fettem Fleisch und Wurst; erhöhen LDL-C.

  • Ungesättigte Fette: in Olivenöl, Nüssen, Fisch; sie senken LDL-C.

Ballaststoffe, Hafer und Flohsamenschalen gegen Cholesterin

Besonders lösliche Ballaststoffe (Hafer, Flohsamenschalen, bestimmte Obstsorten) binden Gallensäuren und senken so LDL-C. Auch Pflanzensterole und -stanole (z. B. in angereicherten Margarinen) können LDL um einige Prozentpunkte senken, ersetzen aber keine Medikamente, wenn ein Statin nötig ist.

Bei familiär stark erhöhten Cholesterinwerten, können auch vegane Marathonläuferinnen stark erhöhte Werte zeigen. Dann setze ich Cholesterinsenker ein. Werden diese nicht gleich vertragen, kann man ein anderes Präparat aus der gleichen oder aus einer anderen Gruppe wählen. Bei Statintherapei muss nach einigen Wochen und auch später im Verlauf immer eine Kontrolle von Muskelabbauparameter und Leberwerten sowie natürlich auch der Wirksamkeit erfolgen. 

Alltagstipps: Herzgesund essen ohne Kalorienzählen

  • Olivenöl statt Butter: Schon der Tausch von 1–2 EL am Tag bringt einen spürbaren Effekt.

  • 30 g Nüsse täglich: Eine kleine Handvoll, ideal ungesalzen.

  • Haferflocken oder Flohsamenschalen: 1 Portion am Tag unterstützt Verdauung und Blutfette.

  • Fisch 1–2× pro Woche: Besonders Lachs oder Makrele liefern Omega-3.

  • Rotes Fleisch reduzieren, Wurst meiden.

  • Zucker und Weißmehl runter, Vollkorn rauf.

Ayurveda bei hohen Blutfetten und Herzerkrankungen

 

Ayurveda über Herz und Ernährung: Hṛdroga und Agni

In den klassischen Texten wird Herzgesundheit unter „Hṛdroga“ (Herzerkrankungen) beschrieben. Ernährung wird als Pathya-Apathya (zuträglich oder unzuträglich) eingeteilt. Empfehlenswert sind:

  • leichte, gut verdauliche Kost

  • maßvoller Einsatz von Fetten und Ölen (Snehadravya)

  • regelmäßige Mahlzeiten ohne Überessen

  • Gewürze wie Ingwer, Kreuzkümmel oder Koriander, um das Agni – das Verdauungsfeuer – zu unterstützen

  • Heilkräuter werden auch eingesetzt wie z.B. Arjuna, Triphala, Guggulu .. aber immer nur nach ärztlicher Absprache 

 

Ernährung und Fettleber: zwei Fliegen mit einer Klappe

Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung (NAFLD, heute MASLD genannt) ist in Europa mittlerweile die häufigste chronische Lebererkrankung. Sie betrifft oft Menschen mit Übergewicht, Bluthochdruck oder erhöhten Blutfetten – also genau jene Faktoren, die auch das Herz belasten. Studien zeigen: Schon eine Gewichtsabnahme von 5–10 % des Körpergewichts kann die Leberverfettung deutlich zurückbilden.

Besonders günstig wirken sich aus:

  • Kalorienreduktion ohne Crash-Diäten

  • Mediterrane Kost: viel Gemüse, Hülsenfrüchte, Nüsse, Olivenöl, wenig Zucker und Weißmehl

  • Fruktosearm essen: Softdrinks, Süßigkeiten und Fertigprodukte meiden, da Fruktose die Leber stärker belastet als Glukose

  • Eiweißreiche Lebensmittel: Hülsenfrüchte, Milchprodukte oder Tofu helfen, den Stoffwechsel stabil zu halten

Auch Bewegung unterstützt den Prozess, selbst wenn das Gewicht nicht sofort sinkt. 150 Minuten moderates Training pro Woche können die Leberwerte verbessern.

Ayurveda über die Fettleber

Die klassischen Texte beschreiben Zustände, die man heute in Richtung „Yakrit Roga“ (Lebererkrankungen) oder „Medo Dhatu Dushti“ (Störungen des Fettgewebes) deuten kann. Empfohlen werden dabei leichte, wenig ölige Mahlzeiten, der Verzicht auf Übermaß und der Einsatz bitterer Geschmacksrichtungen (z. B. Neem, Karela, Kurkuma) zur Entlastung… wie  immer nur nach ärztlicher Absprache, ärztlichen Blutkontrollen, da Leberkräuter, die ja als Zielorgan auch in der Leber verstoffwechselt werden, unter Umständen auch die Leber belasten können. Zentral ist die Stärkung des Agni, also des Verdauungsfeuers, durch Gewürze und eine geordnete Tagesstruktur.

Fazit: Herz und Leber profitieren von denselben Maßnahmen – mediterran, ballaststoffreich, maßvoll. Damit schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe: weniger Arterienverkalkung und eine entlastete Leber.

 


 

Reizdarm (IBS) und Blähbauch: Ernährung macht den Unterschied

…. Ernährung als stärkster Hebel

Reizdarmsyndrom (engl. IBS, Irritable Bowel Syndrome) ist eine der häufigsten funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen. Typische Symptome sind Bauchschmerzen, Durchfall oder Verstopfung und oft ein Blähbauch. Medikamente helfen nur begrenzt – Ernährung spielt die Hauptrolle.

Ayurveda bei Reizdarm und Blähungen

 

FODMAPs erklärt – warum manche Zucker den Bauch aufblähen

FODMAPs sind bestimmte Zuckerarten und Zuckeralkohole, die im Darm schlecht aufgenommen werden. Dazu gehören:

  • Fruktose (Obst, Honig)

  • Laktose (Milchprodukte)

  • Fruktane (Weizen, Zwiebeln, Knoblauch)

  • Galaktane (Hülsenfrüchte)

  • Polyole (Sorbit, Mannit in Zuckeralkoholen)

Sie ziehen Wasser in den Darm und werden stark vergoren → Gas, Dehnung, Blähbauch und Schmerzen.

Die 3 Phasen der Low-FODMAP-Diät im Überblick

  1. Eliminationsphase (4–6 Wochen): striktes Meiden der FODMAP-reichen Lebensmittel. Auch Kohlensäure, Zuckeralkohole und viel Fett können Symptome verstärken.

  2. Re-Challenge: schrittweise Wiedereinführung jeder Gruppe in kleinen Mengen, Symptomtagebuch führen.

  3. Personalisierung: langfristige Ernährung, so liberal wie möglich, so restriktiv wie nötig.

Hilfreiche Zusätze: Flohsamenschalen, Pfefferminzöl, Routinen

  • Flohsamenschalen (Psyllium): 10–20 g/Tag, viel trinken – oft sehr hilfreich.

  • Kleie meiden, da sie Symptome verstärken kann.

  • Pfefferminzöl-Kapseln (enterisch): können Krämpfe und Schmerzen lindern. Aber vorsichtig bei Sodbrennen! 

  • Wann zum Arzt? Bei Alarmzeichen wie Blut im Stuhl, Gewichtsverlust, Fieber oder Eisenmangel.

Ayurveda und Grahani: klassische Ansätze für einen ruhigen Bauch

In Ayurveda wird das Reizdarmsyndrom unter „Grahani“ beschrieben, Sitz des Verdauungsfeuers (Agni). Die Empfehlungen:

  • feste Essenszeiten, keine Zwischenmahlzeiten

  • leichte, warme Speisen wie Peya, Vilepi, Yavāgu (verschiedene Reisbreisorten)

  • Takra (Buttermilch) mit Gewürzen wie Kreuzkümmel oder Ingwer – bläht nach FODMAP zwar, der Kreuzkümmel reduziert aber diesen Effekt und Buttermilch ist gesund, da sie probiotische Milchsäurebakterien für eine gesunde Darmflora liefert und wichtige Nährstoffe wie Calcium für Knochen, Eiweiß für Muskeln sowie B-Vitamine für den Stoffwechsel enthält. Sie ist zudem kalorienarm und sättigt gut, was sie zu einem idealen Snack oder einer Grundlage für eine kalorienbewusste Ernährung macht. Ihre probiotischen Eigenschaften können die Verdauung fördern und das Immunsystem unterstützen, während das Calcium die Knochen stärkt und das Eiweiß bei der Regeneration hilft.

    Reguläre Buttermilch (Takra) ist in der strengen Low-FODMAP-Phase meist nicht geeignet, weil sie noch Laktose enthält. In sehr kleinen Mengen kann sie für einige trotzdem gehen, und laktosefreie Varianten sind unproblematisch. Die ayurvedische Empfehlung „Takra bei Grahani“ bleibt als traditioneller Rahmen valide – fachlich sauber wird’s, wenn du Laktose berücksichtigt und die Dosis steuerst.

  • Agni-anregende Gewürze – immer individuell an die Konstitution (Doṣa) angepasst

    Agni anregende Gewürze

Peya, Vilepi, Yavāgu – Rezepte, Verhältnisse, Indikationen

Reiswahl: klassisch „Śāli“ (leicht verdaulicher, weißer Reis – Ich nehme gerne Basmati, hat weniger Arsengehalt, und lasse ihn dennoch 20min in heißem Wasser liegen, welches ich dann wegschütte). Mengen unten für 1 Portion.

Peya – dünne Reisgrütze (leichteste Stufe)

  • Klassische Definition & Verhältnis: sehr flüssige Grütze; häufig überliefertes Kochverhältnis Reis:Wasser = 1:14 (es existieren auch Traditionen mit geringerer Wassermenge – Ziel ist eine trinkbare Konsistenz). 

  • Indikationen (traditionell): frühe Rekonvaleszenz nach Fieber/Erbrechen, initiale Kost bei Agnimanda (schwaches Verdauungsfeuer), Einstieg nach Ausleitungsverfahren (Saṃsarjana-Krama). 

  • Zutaten (1 Portion):

    • 30 g weißer Reis (gewaschen)

    • 420 ml Wasser (≈ 1:14)

    • optional: ½ TL Ghee, 1 Prise Steinsalz

  • Zubereitung: Reis mit Wasser sanft 25–30 min köcheln, gelegentlich rühren. Am Ende soll die Konsistenz trinkbar sein; ggf. durch ein Sieb streichen.

  • Dosha-Anpassung (Beispiele):

    • Vata: ½ TL Ghee, Kreuzkümmel (Cuminum), Ingwer mild; warm servieren.

    • Pitta: Koriander (Coriandrum), Fenchel (Foeniculum); ohne Chili/Schärfe.

    • Kapha: trockener Ingwer (Śuṇṭhī), Schwarzer Pfeffer (Marica) sehr sparsam; kein zusätzliches Fett.

Vilepi – dicker Reisbrei (nährender, aber noch leicht)

  • Definition & Verhältnis: dickflüssiger Brei; klassisch 1:4 (Reis:Wasser). 

  • Indikationen (traditionell): Aufbaukost, wenn Agni wieder anspringt; bindender („grāhī“) Charakter – z. B. in der Erholung nach Atīsāra (Durchfall) oder nach Panchakarma. 

  • Zutaten (1 Portion):

    • 50 g weißer Reis

    • 200 ml Wasser (1:4)

    • optional: 1 TL Ghee (v. a. bei Vata), 1 Prise Steinsalz

  • Zubereitung: 20–25 min sämig kochen, bis die Körner zerfallen.

  • Dosha-Anpassung:

    • Vata: 1 TL Ghee, Hing/Asafoetida (Ferula asafoetida) eine Prise, Ajwain (Trachyspermum) ¼ TL.

    • Pitta: Koriander, Kardamom (Elettaria) – kühlend; ohne schwarzen Pfeffer.

    • Kapha: Trikatu (Mischung aus trockener Ingwer-, Pfeffer-, Pippali-Wurzel) sehr sparsam (eine Messerspitze), ohne Ghee.

Yavāgu – mitteldicke Medizinal-Grütze (Träger für Gewürz-/Kräuterabkochungen)

  • Definition & Verhältnis: halbflüssige Grütze; häufig 1:6 (Reis:Wasser). In Pathya-Kalpana wird Yavāgu oft mit Dekokten (z. B. Ingwer, Kreuzkümmel) statt reinem Wasser gekocht. 

  • Indikationen (traditionell): „Brücke“ zwischen Peya und Vilepi; sehr variabel einsetzbar – z. B. bei Verdauungsschwäche, nach Fasten, bei Blähungen als Gewürz-Träger. 

  • Zutaten (1 Portion):

    • 40 g weißer Reis

    • 240 ml Gewürzabkochung (z. B. ½ TL Kreuzkümmel + 3–4 Scheiben frischer Ingwer 10 min in 300 ml Wasser köcheln, auf 240 ml einkochen, abseihen)

    • optional: ½ TL Ghee, 1 Prise Steinsalz

  • Zubereitung: Reis in der abgesiebten Abkochung 20–25 min zu einer trinkbaren-löffelbaren Konsistenz kochen.

  • Dosha-Anpassung:

    • Vata: s. Vilepi; eher warmes Mundgefühl, Ghee erlaubt.

    • Pitta: Abkochung mit Koriander/Fenchel statt Ingwer-Last; ohne Pfeffer.

    • Kapha: Abkochung mit Ingwer + Ajwain; fettarm halten.

Hinweis zu widersprüchlichen Angaben: In den klassischen Beschreibungen variieren die exakten Wasserverhältnisse nach Schule/Kommentar. In der Praxis orientierst du dich an der Zielkonsistenz (Peya sehr dünn, Yavāgu mitteldick, Vilepi dick) – die oben genannten Verhältnisse (1:14 / 1:6 / 1:4) sind in mehreren Fachdarstellungen konsistent wiedergegeben. 

Werden Hülsenfrüchte wieder besser vertragen, können gelbe, gespaltene Mungbohnen sehr weich gekocht und zum Reis dazu gegeben werden, zusammen mit FODMAPs-armem Gemüse wie Zucchini, Kürbis, Kartoffeln, und Spinat (wenn keine Histaminintoleranz besteht). Um die Kalorienzahl zu heben, kann Rapsöl und mildes Olivenöl verwendet werden, auch weißes Mandelmus eignet sich oder etwas Ziegenfrischkäse. 

Brücke zwischen Ayurveda und moderner Medizin

  • Westlich: Low-FODMAP, Ballaststoffe, Pfefferminzöl (nicht bei Sodbrennen), klare Abklärung bei Alarmzeichen.

  • Ayurveda: regelmäßige, warme, leicht verdauliche Mahlzeiten, Buttermilch, Gewürze – als traditionsbasierter Rahmen.

Mehr zum Ayurveda gibt es wie immer auf vedizin.at und im Blog !

Ayurveda Arzt in Graz - Dr. med. Daniel Scheidbach

Ayurveda-Beratung zur Gesundheitsvorsorge und bei medizinischen Fragestellungen, z.B. bei Verdauungsbeschwerden, Allergien, Autoimmunerkrankungen, Schmerzen im Bewegungsapparat, Rückenschmerzen, Schlafstörungen und psychischem Ungleichgewicht

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Dr. med. Daniel Scheidbach
MSc in Ayurvedic Medicine
Ayurveda Arzt in Graz